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Motorradtour zur Bunkeranlage ,,Oder-Warthe-Bogen"

17.06.1997

Die deutsch - polnische Grenze liegt nun zum Glück hinter uns und wir haben auch bereits die Grenzstadt Slubice ( frühere Dammvorstadt Frankfurt/Oder ) in Richtung Osten verlassen. Zum Glück gab es heute keinen langen Grenzstau, so daß wir nach 20 Minuten die Brücke über die Oder passieren konnten.

Unser Ziel ist die Festungsfront ,,Oder - Warthe - Bogen" , die im zweiten Weltkrieg als Bollwerk zum Schutz der deutschen Ostgrenze dienen sollte.

Ungefähr 70 km von Frankfurt/Oder entfernt ist Sie die größte militärische Befestigungslinie des zweiten Weltkrieges, vergleichbar mit der Maginot - Linie. Es handelt sich hierbei um eine gewaltige , aus mehreren aufeinander abgestimmten Strukturen bestehende Anlage, deren zentraler Teil ein ca. 25 km langes Bunker-und Tunnelsystem bildet.

Nun ist ja für den Motorradfahrer auch oft der Weg das Ziel, so daß wir nicht die kürzeste Strecke dorthin nehmen, sondern einen großen Bogen fahren.

Wenn schon das Land Brandenburg als waldreich bezeichnet werden kann, so wird es wohl von den angrenzenden polnischen Gebieten noch übertroffen. Vielerorts scheint die Zeit gemächlicher vorangeschritten zu sein, als hier in Deutschland. Auch wenn in den letzten Jahren in Polen eine rege Bautätigkeit zu verzeichnen ist, so trifft man doch ständig auf Zeugnisse der Vergangenheit. Da ist der Sowjetpanzer T 34 in Kunowice, etwa fünf Kilometer von Frankfurt/Oder entfernt, nur ein auffälliges Beispiel am Strassenrand . Alte Betonbauten stehen vielfach noch in den Wäldern. In vielen Dörfern abseits der großen Straßen scheint die Zeit vollends stehen geblieben zu sein und Hühner sowie Gänse haben hier Vorfahrt.

Unsere Fahrt führt über Osno Lubuskie, dessen Kirche wohl das imposanteste Bauwerk der Stadt ist. Hier gibt es auch noch eine recht gut erhaltene Stadtmauer und somit den ersten Fototermin auf dieser Reise. Mauer OsnoDaß ich inzwischen schwarze Finger habe, weil ich die abvibrierte Tachowelle wieder angeschraubt habe, fotografieren wir lieber nicht. Im Moment erinnere ich mich lieber daran, daß ich hier vor einigen Jahren meine erste Detailkarte des Gebietes gekauft habe, die den Anstoß für viele Motorradtouren durch diese Gegend gab. Nicht zuletzt entdeckte ich auf Grund dieser Karte unser heutiges Ziel, den Oder - Warthe - Bogen .

( Gif - Grafik der Region -33kb - laden durch Anklicken) Landkarte laden

Weiter windet sich die Straße hinter Osno durch den dichten Mischwald nach Sulecin. An einer Stelle öffnet sich dieser Wald und gibt eine grandiose Fernsicht über Hügel und Ebenen preis. Die Industrieanlagen dort am nördlichen Horizont gehören wohl zu Gorzow, das von uns noch 35 km entfernt ist.

Nach einer kurzen Pause in Sulecin, bei Eis und Kaffee, geht es in östlicher Richtung weiter , um kurz hinter Trzemeszno Lubuskie die Straße zu verlassen. Bereits hier gibt es das erste Bauwerk, das unser Interesse weckt. Keinen Bunker , sondern eine Wasserstauanlage.WasserstauanlageHiermit konnten aufgestaute Wassermassen relativ schnell ganze Landstriche überfluten oder wenigstens Kanäle füllen und so für ein natürliches Hindernis sorgen.In Kombination mit Zug- und Drehbrücken waren diese Stauanlagen als Hindernis gegen einen feindlichen Vormarsch gedacht.

Auch die Waldwege sind heute etwas feucht, so daß ich schwierige Passagen lieber erst einmal allein durchfahre und Simone danach wieder aufsteigt. Im Gelände werde ich immer wieder daran erinnert, wie gut es doch währe, wenn jeder seine eigene Maschine fährt. An anderen Stellen sind die Wege aber wieder sandig und trocken, so daß das Fahren durch den Mischwald zum Erlebnis wird. Mir fällt meine erste Fahrt durch dieses Wegelabyrinth ein, wobei eine riesige umgestürzte Buche meine damalige MZ und mich am Weiterfahren arg hinderte.Heute gibt es allerdings erst einmal ein Bad im Waldsee, an dessen Ufer wir wohl momentan die einzigen Menschen sind.

Wald Waldsee

Danach vorbei an bewaldeten Hügeln mit bis zu 227 Meter über Null nach Lagow. Ein hübscher kleiner Ort, direkt zwischen zwei Seen gelegen. Für einen Blick vom Turm der Lagower Burg sollte die Zeit jedenfalls reichen.

Da es inzwischen doch schon Mittag ist, nutzen wir die südlich gelegene E 30 um schnell über Swiebodzin nach Kalawa zu kommen. Kurz davor gibt es noch ein Kloster, das wir uns aber aus Zeitgründen für eine andere Tour vormerken. Nur mit Mittagessen ist es heute nicht gut bestellt. Die Gaststätte , in der ich früher recht gut gegessen habe, existiert nicht mehrt. Etwa ein Kilometer östlich von Kalawa liegt jedoch schon unser eigentliches Ziel , so daß wir durchfahren und uns dann mit einem kleinen Imbiß zufrieden geben müssen, den wir gleich neben den Bunkern bekommen.

In den letzten Jahren werden die ehemaligen Wehrmachtsbunker zunehmend kommerzialisiert und aus dem Dornröschenschlaf geholt. Wie alles, so hat auch diese Sache zwei Seiten. Einerseits steigen Eintrittspreise und die Kosten für Begleitmaterial ständig an, andererseits erhält man , wie wir noch feststellen werden, eine sehr sachkundige Führung. Ohne diese läuft hier nämlich gar nichts, denn die ganze Anlage ist schwerstens gesichert. Das hat gleich mehrere Gründe.

Zum einen stellen ca. 25 km unterirdische Gänge für den ahnungslosen Besucher ein ziemliches Labyrinth dar, in dem ein Verlaufen förmlich vorprogrammiert ist. Andererseits haben seit Jahren die Fledermäuse dieses System aus künstlich geschaffenen Höhlen für sich entdeckt. Deshalb ist am 11.August 1980 die Anlage zum Natur-Reservat erklärt worden. Sie gilt als das größte Fledermauswinterquartier Europas. Im Jahr 1991 wurden hier 30.000 Fledermäuse gezählt. Die meisten von Ihnen kommen aus der Umgebung von 30 bis 50 km. Wälder, Seen und Wiesen bilden eine ideale Lebensgrundlage für die Tiere. So kann man Sie an Sommerabenden auch oft auf der Jagd nach Insekten beobachten

Die größte Gefahr für die Fledermäuse im Bunker ist , wie könnte es anders sein, der Mensch. Lärm, Müll und Rauch scheuchen die Tiere auf, und können sogar Ihren Tod verursachen. Die Naturschutzstiftung ,,Nietoperek", die Zoologische Gesellschaft Frankfurt/Main, sowie der Lebuser Naturschutzverein haben die Gänge mit schweren Stahlgittern verschließen lassen. So ist jetzt nur ein kleiner Teil der Anlage mit einem Führer touristisch zugänglich.Panzer T34

Als wir ankommen und das Motorrad neben dem T 34 abstellen, sehen wir gerade noch eine Gruppe Touristen mit dem Fremdenführer im Bunker verschwinden. An der Kasse, im kleinen Museumsbau, sagt man uns, daß es wohl so zwei Stunden dauern würde, bis wir als nächste hinein können. So sehen wir uns draußen noch etwas um und lesen in den Unterlagen, die das System genauestens beschreiben.

Wir stehen hier im mittleren Abschnitt der Festungsfront Oder - Warthe - Bogen, die wiederum den zentralen Teil des Ostwalls bildet,an dessen Flanken Pommernstellung im Norden und Oderlinie im Süden liegen. Deutschland begann bereits 1925 mit dem Ausbau seiner östlichen Verteidigungslinie unter größter Geheimhaltung vor der Alliierten Kontrollkommission. Der Versailler Vertrag verbot den Bau von Festungsanlagen an Deutschlands Westgrenze, so machte man sich im Osten einige Unklarheiten dieses Vertrages zu Nutze. Nach Hitlers Machtantritt wurde dieser allerdings nicht mehr beachtet und man führte von 1935 bis 1939 die Hauptarbeiten am OWB durch. Obwohl der Vertrag von den Nationalsozialisten nicht mehr beachtet wurde, so führte man die Arbeiten doch weiter streng geheim fort, so daß auch die hiesige Bevölkerung kaum etwas davon bemerkte.

In seiner Staffelung besteht der OWB aus drei Befestigungsgürteln (siehe Karte) . Der erste, also östliche, sollte dem Gegner die Möglichkeit des freien Vormarsches nehmen und in zwingen seine Kräfte zu zeigen. Der zweite ist am stärksten befestigt und war dazu vorgesehen den Gegner auf unbestimmte Zeit aufzuhalten. Es folgt ein dritter, westlicher Gürtel aus Feldbefestigungen. Die Ironie der Geschichte ist allerdings, daß die gesamte Anlage im Januar 1945 Mangels kompetenter Führung und Besatzung nahezu kampflos in die Hände der Roten Armee fiel.

Wir sehen uns nun den Bunker in unmittelbarer Nähe mit unserem Fremdenführer genauer an. Meine erste Frage betrifft jedoch sein sehr perfektes Deutsch, was schnell erklärt ist. Er ist ehemaliger Berliner und wohnt seit 1993 hier in der Gegend, hat also damit sein Hobby zum Beruf gemacht.Kuppeln

Warum diese Bunker als Panzerwerke bezeichnet werden, wird einem schnell bewußt, wenn man sich die mächtigen Stahlkuppeln ansieht, die in die 2,5 m dicke Betondecke eingelassen sind. Das Panzerwerk 717, an dem wir stehen ist ausgerüstet mit Maschinengewehren in zwei Kampftürmen aus 25 bis 32 cm dickem Stahl. So ein Turm konnte bis zu 220 mm Geschossen standhalten.Die stärkste Waffe war aber wohl zweifellos der Maschinengranatwerfer, mit bis zu 120 Schuß pro Minute (!) und einer Reichweite von 50 bis 750 m. Vervollkommnet wurde der Schutz durch einen Rundumflammwerfer mit bis zu 70 m Reichweite.

Foto : Granatwerfer innerhalb der KuppelGranatwerfer

So viel sieht man ja schon von außen, nun aber betreten wir die Anlage durch den kleinen Zugang.Dunkelheit empfängt uns und die Taschenlampen gehen an. An der Wand sehen wir allerdings schon die Kabel, die für eine zukünftige Beleuchtung vorgesehen sind und durch einen ehemaligen Notausstieg in den Bunker geführt werden. Nachdem wir in die zweite Etage hinabgestiegen sind, stehen wir vor einem großen Schacht, der ca. 30 m in die Tiefe führt.An der Seite gibt es eine Betontreppe, einst war hier auch ein Lift installiert.Treppe

Von den Panzerwerken gab es 83 Stück, die meisten zweigeschossig. Durch diese Treppenschächte sind Sie mit den Verbindungswegen in der Tiefe verbunden, die ihrerseits alle in einen Hauptverkehrsweg münden. Hier unten liegen auch die Kasernenräume sowie Munitions- und Lebensmittellager, Brunnen, Werkstätten, Kraftwerke u.s.w.

Dieses Tunnelsystem verfügte über ein Kanalisations- und Lüftungssystem (das auch heute noch funktioniert) und war gegen Kampfgase abgesichert. Eine elektrisch betriebene Eisenbahn verband die einzelnen Stationen untereinander. Wir müssen heute allerdings zu Fuß ca. 1 km bis zum nächsten unterirdischen Bahnhof zurücklegen. Unterwegs erhalten wir dann noch ausführliches Detailwissen über die Anlage.VerbindungsgangSo zum Beispiel, daß der Bahnhof über eine Heizungsanlage verfügte, welche aber nicht die gewünschten Ergebnisse brachte. Von den geplanten 18 Grad erreichte man gerade einmal 11. Auch heute sind es nicht mehr als 10 Grad Celsius. So schlägt uns dann auch eine angenehme Wärme entgegen, als wir nach gut zwei Stunden wieder das Tageslicht sehen. Wir verlassen die Anlage nun durch das Panzerwerk 716 und haben damit einige unterirdische Kilometer zurückgelegt.

Durch die Reihen von Panzersperren,den sogenannten ,,Drachenzähnen" geht es zurück zum Ausgangspunkt.

Vor der Heimfahrt müssen wir allerdings noch einen Blick in das kleine Museum werfen, um uns die Fledermäuse wenigstens hier anzusehen. Im Bunker gibt es sie ja nur während der Wintermonate.Panzersperre


Lageplan der unterirdischen Gänge und Panzerwerke

perspektivischer Schnitt durch das Panzerwerk 717 bei Kalawa

Hier gibt es noch einige eigene Bilder vom OWB (ca 220kb)

Zu einer Fotosammlung des OWB (Fotos von einem polnischen Bekannten)

Peter Waltjes Seite zum OWBmit Tips zu einer weiteren Möglichkeit der Führung im Bunkersystem und weiteren Links zu WK Bunkern.


Die Maginot Linie (ausführliche Infos und Wegbeschreibung in englisch)


PLTips zur Reise nach Polen


Am 11.04.1998 besuchte ich die Bunker des OWB mit meinem (gerade erst) acht Jahre alten Sohn. Sein eigener kurzer Bericht dazu ist
hierzu finden. Fehler habe ich bewußt nicht korrigiert. ;-)


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Dieser Artikel ist erschienen in der ,,Biker Börse" Heft 1/1998.